Warum nicht alle Pflanzen (gut) im Zimmer gedeihen

Bei einer Studie der FH Geisenheim über die Verwendung bzw. den Umgang mit Zimmerpflanzen durch den Verbraucher konnte bereits im laufenden Versuch festgestellt werden, dass die Pflanzen nach optischen Gesichtspunkten im Raum, ohne Rücksicht auf Standortansprüche der Pflanze, platziert und dabei auch offensichtliche Freilandpflanzen ins Zimmer gestellt wurden. Hier stellt sich natürlich die Frage, ob man die Pflanze als „Wegwerf-Deko-Artikel“ versteht. Dem widerspricht allerdings, dass viele Menschen einen persönlichen Bezug zu „ihrer“ Pflanze haben und für sie der ideelle Wert der Pflanze den tatsächlichen beträchtlich übersteigt. Also liegt die Schlussfolgerung nahe, dass viele sich über die vorhandenen Standortfaktoren bzw. die diesbezüglichen Bedürfnisse der einzelnen Pflanzen noch kaum Gedanken gemacht haben!

Standortfaktoren sind ausschlaggebend!
Entscheidend für das Pflanzenwachstum sind die Faktoren Licht, Temperatur, Wasser- und Nähstoffversorgung sowie Luftfeuchtigkeit. Diese sind nicht absolut, sondern in ihrem Zusammenspiel zu sehen. So können Pflanzen z.B. Lichtmangel besser überstehen, wenn es kühler ist (je dunkler, desto kühler) und brauchen dann auch weniger Wasser und Nährstoffe. Entspricht auch nur einer dieser Faktoren auf Dauer nicht den Bedürfnissen der Pflanze, geht sie über kurz oder lang ein! Doch diese (Mindest-) Anforderungen an die Wachstumsfaktoren sind von Pflanzenart zu Pflanzenart verschieden. So gibt es Pflanzen, die auf Grund ihrer Ansprüche überhaupt nicht, nur bedingt oder besonders gut mit den Verhältnissen in Wohnräumen zurechtkommen.

Pflanzenfeindliche Verhältnissen in Wohnräumen.
Im Allgemeinen besteht in unseren Wohnungen ein für Pflanzen extrem ungünstiges Klima: In der Regel herrscht insbesondere über Winter Lichtmangel, dies gilt umso mehr, je weiter die Pflanze vom Fenster weg steht. Gleichzeitig sind die Räume im Winter auf 20-22°C (oder mehr) geheizt, wobei es direkt über den Heizkörpern auch noch wärmer sein kann. Außerdem ist die Luft meist sehr trocken. Am wenigsten entsprechen diese Verhältnisse unseren heimischen Pflanzen. Sie sind darauf angelegt, im Winter eine Ruhephase einzulegen, die durch ein Absinken der Temperaturen an den Gefrierpunkt eingeleitet und durch Temperaturanstieg im Frühjahr wieder beendet wird. Obwohl es durchaus möglich ist, sogar Eichenbäume durch entsprechende Schnitttechniken in Miniaturformat in Töpfen zu kultivieren, müssen diese Bonsai's im Freien aufgestellt werden. Im Zimmer gingen sie in kürzester Zeit auf Grund des für sie absolut ungeeigneten "Raumklimas" ein. Am Ehesten kommen Verhältnisse in unseren Wohnungen Pflanzen aus den Subtropen bzw. Tropen entgegen, die ganzjährig höhere Temperaturen brauchen und
dort in lichtarmen Zonen der Wälder wachsen. Für sie ist allerdings oft die Luftfeuchte zu niedrig.

Hell sollte es meistens sein und nicht zu warm:
Tatsächlich gibt es auch einige aus gemäßigten Breiten stammende Pflanzen wie z.B. das Alpenveilchen, das grundsätzlich auch als Zimmerpflanze zu halten ist. Bereits im 19. Jahrhundert, also zu Zeiten unserer Urgroßeltern, war es als Zimmerpflanze sehr beliebt. Dies ist auch erklärlich, hatten solche Pflanzen damals doch ihren Platz in der „kalten Pracht“, dem ungeheizten Wohnzimmer. Bei „molligen“ 10- 15°C hatte man lange Freude an den blühenden Alpenveilchen. Stellt man sie heute ins Wohnzimmer, ist die Lebensdauer der Pflanze meist kurz: Die großen Blätter verdunsten bei Zimmertemperatur sehr viel, es kommt immer wieder zu schlapp herabhängenden Blättern wegen Wassermangel. Auch wenn man die Pflanze dann durch Tauchen des Topfes kurzfristig wieder "in Form" bekommt, verliert sie nach und nach immer mehr Blätter und wird unattraktiv. Gleichzeitig steigt die Gefahr des Spinnmilbenbefalls in der trocken-warmen Heizungsluft. Ein ungeheizter Wintergarten, Fensterbänke in kühlen Treppenhäusern oder wenig genutzten Gästezimmern eignen sich daher heute besser für solche Pflanzen als das Wohnzimmer.
Ähnlich ist es bei Pflanzen, aus Klimazonen stammen, die durch trockene Sommer (ca. 25°C) und feuchte Winter (ca. 10°C) gekennzeichnet sind. Diese Pflanzen erkennt man meist an lederartigen bzw. saftarmen Blättern. Dazu zählen z.B. Lorbeeraum, Myrte, Olive, Eukalyptus, Ruscus, Palmen und Citrusarten . Sie verlangsamen zwar im Winter ihren Stoffwechsel, werfen aber die Blätter nicht ab. Daher benötigen sie ausreichend Licht bei frostfreien aber kühlen Temperaturen. In einem kalten Wintergarten ist das möglich, im Wohnzimmer nicht! Will man das Orangenbäumchen trotzdem hier oder in einem warmen Wintergarten überwintern, entfällt die Winterruhe und man muss den Lichtmangel ggf. durch Pflanzenlampen ausgleichen. Natürlich ist der Wasser- und Nährstoffbedarf ebenfalls höher als in Winterruhe!
Viele der als „unproblematisch“ geltenden "Büro-Pflanzen" stammen aus Wüsten und Halbwüsten, wie z.B. Kakteen und Wolfsmilchgewächse (Euphorbien), Dickblattgewächse (Sukkulenten) wie Aloe, Mesembryanthemum, Asclepias, Agave usw. Sie kommen mit trockener Luft und voller Sonneneinstrahlung zurecht. Daher gedeihen sie an sonnigen Fenstern auch über trockener Heizungsluft. Trotzdem brauchen sie eine kühle Ruhephase, um Blüten anzusetzen, z.B. benötigen Kakteen dazu im Winter Trockenheit und Temperaturen von 8-12°C.
So üppig kommen Alpenveilchen aus der Gärtnerei...
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Im Wohnzimmer ist es für sie dann zu warm!
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Wenn es warm sein darf, dann feuchte Luft!
Aus Regionen mit hoher Luftfeuchte, den Subtropen und tropischen Gebirgen stammen immergrüne Pflanzen wie z.B. Orchideen, Bromeliengewächse, Aralien, Liliengewächse, Peperomien u.a.. Sie erfordern Temperaturen über 16°C, einen hellen Standort ohne direkte Sonneneinstrahlung und eine gewisse Luftfeuchtigkeit. Dabei ist zu beachten, dass mit der Temperatur der Lichtbedarf steigt! Während der Ruhezeit müssen die Pflanzen kühler und trockener gehalten werden. Somit sind Wohnzimmer und Büro zwar grundsätzlich geeignet, solange sie regelmäßig besprüht werden, während der Ruhezeit sollten aber auch diese Pflanzen einen etwas kühleren Standort beziehen.
Für unsere Zimmertemperaturen optimal geeignet sind Pflanzen des tropischen Regenwaldes. Zuerkennen sind diese Pflanzen entweder an weichem Gewebe wie bei Begonien, Farnen, Saintpaulien und Gloxinien oder an spitzen Blattenden, die wie bei Gummibaum- und Aronstabarten. Zu letzteren zählen Anthurium, Caladium, Calla, Dieffenbachia, Monstera, Philodendron, Scindapsus, Spatiphyllum und Syngonium. Sie benötigen mindestens 18°C ohne direkte Sonneneinstrahlung, ideal also für beheizte Räume. Ihr Nachteil: Sie brauchen eine hohe Luft- und Bodenfeuchtigkeit! Und die Raumluft ist meist extrem trocken! Sehr häufiges Übersprühen und eine gleichmäßig feuchte Topferde sind daher unbedingt zu gewährleisten!

Fazit:
Beheizte Wohnräume sind für Zimmerpflanzen grundsätzlich nicht ideal. Daher sollte man für die jeweilige Pflanze den Platz aussuchen, der ihren Ansprüchen am nächsten kommt. Geht es darum, eine bestimmte "Ecke" in einem Raum mit Pflanzen zu verschönen, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass man zunächst die o.g. Standortfaktoren überprüft und dann eine Pflanze aussucht, die damit wenigstens noch halbwegs zurecht kommt. Defizite an Licht können dann mit Pflanzenlampen, zu trockene Luft durch häufiges besprühen ausgeglichen werden. Stellt man einfach "schöne Pflanzen" wie Möbelstücke in "leere Ecken" ist der Misserfolg vorprogrammiert!



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