Robbi melkt die Kühe – nur 16 Arbeitsstunden pro Kuh und Jahr

Stand: 07/26/2011
Autor: Werner Baumgarten, DLR Westerwald-Osteifel


Die Betriebskooperation von Ludwig Seegers und Axel Walterschen (SEWA) nahm an den Untersuchungen einer Diplomarbeit zur Erfassung der Arbeitszeit bei Roboterbetrieben teil. Der Betrieb ist bei dieser Untersuchung durch sein gutes Arbeitszeitmanagement aufgefallen, bei der SEWA fallen lediglich 16 Arbeitsstunden pro Kuh und Jahr an.

Die Kooperation von Herrn Seegers und Herrn Walterschen besteht seit 1994. Der Betrieb der Beiden liegt in Kaffroth im Westerwald.
Am Anfang der gemeinsamen Zusammenarbeit entstand der Plan zum Neubau eines Boxenlaufstalls für 120 Milchkühe - Bauplanvorschlag: Architekt Herr Benninger von der Landwirtschafskammer Niedersachsen. Dieser Plan wurde kurz darauf in die Tat umgesetzt, denn vor dem Bau hielten beide Betriebe ihre Kühe in engen Laufställen mit schlechter Lüftung. Die fehlenden Erweiterungsmöglichkeiten veranlassten sie, den Schritt in die neue Richtung zu wagen. Der Neubau entsprach den damaligen Anforderungen der „Experten“ an eine moderne Milchviehhaltung und wurde folgendermaßen konzipiert: Den Kühen
steht eine vierreihige Liegehalle mit einem Außenfuttertisch ohne Überdachung zur Verfügung. Faltschieber räumen die planbefestigten Laufgänge in einen innen liegenden Querkanal. Die Hochboxen waren jeweils mit einer Gummimatte versehen. Das mittig angeordnete Melkstandgebäude hat verschiedene Vorteile, zum einem ist die Trennung der Herde in zwei Leistungsgruppen möglich und zum anderen bietet es die Option eines nachträglichen
Stall aus der Ferne
Stall - Ansicht aus der Ferne
Zu Tiefboxen umgebaute Hochboxen
Strohbereich für Transit Kühe
Einbaus eines Automatischen Melksystems.
Die Milchviehhaltung hat sich in den letzten 10 Jahren stark verändert. Daher reagierte die SEWA auf die neuen Forderungen bezüglich Kuhkomfort und nahm ständig Veränderungen an dem Stall, gemäß dem Motto „Stillstand ist Rückschritt“, vor.

Details verbergen für Eine der wichtigsten VeränderungenEine der wichtigsten Veränderungen
Entstehung eines neuen Stallbereiches auf Stroh an der einen Traufseite für die Transitkühe und den Abkalbebereich. Dadurch können die Tiere optimal für den Laktationsstart vorbereitet werden.
Läsionen und Verletzungen an den Sprunggelenken führten zur nächsten Veränderung, der Umwandlung der Hochboxen in Hoch-Tiefboxen. Dazu wurde am hinteren Boxenende eine 15 cm hohe Aufkantung angebracht. Vom Laufgang bis zur Boxenkante beträgt die Höhe der Kante jetzt 41 cm. Die Tiefboxen werden von allen Tieren sehr gut angenommen, es liegen keine Tiere mehr in den Laufgängen, dabei fällt auf dass gerade ältere Kühe die Boxen sehr vorsichtig verlassen.
Beim Einstreumaterial wurde mit verschiedenen Materialien experimentiert, mit Strohhäcksel, Kalk-Stroh Gemisch und Sägemehl. Am ehesten zufrieden waren die beiden Betriebsleiter mit einer Pferdemist - Hanfspelzeneinstreu. Damit werden nun alle 14 Tage die Boxen maschinell aufgefüllt.
Details verbergen für Weitere bauliche VeränderungenWeitere bauliche Veränderungen
Weitere bauliche Veränderungen waren die komplette Entfernung der Seitenwand zum Futtertisch hin. Bis jetzt bestand keine Notwendigkeit die vorgesehenen Curtains für diese Wand einzubauen. Eine Unterstützungslüftung, mittels großen Ventilatoren, sorgt bei extrem heißen Tagen für Abkühlung. Aus Kostengründen wurde beim Neubau auf eine Überdachung des Futtertisches verzichtet. Aber die großen Schwankungen bei der Futteraufnahme, bei hohen Niederschlagsmengen oder starker Sonnenbestrahlung, ließen sich auch nicht durch ein zweimalig tägliches Füttern kompensieren. Dies war der Beweggrund, den Komplex nun doch zu überdachen. Damit sich die Tiere aber weiterhin den Witterungseinflüssen aussetzen können, - wie auf einem Laufhof -, wurde nur der Fressplatz überdacht und der Rest des Laufgangs ausgespart.
Details verbergen für Mitarbeiter oder Automatisches Melksystem?Mitarbeiter oder Automatisches Melksystem?
Durch die Ausdehnung des Ackerbaus und des Futtermittelhandels stand eine Entscheidung an. Sollte die SEWA einen Mitarbeiter einstellen oder mit einem Automatischen Melksystem die notwendige Arbeitszeit einsparen? Herr Seegers prägte den Satz „Ein Roboter hat nie Urlaub und wird nie krank“ und 2001 fiel die Entscheidung für 2 Lely - Melkroboter. Die Installation fand im ehemaligen Melkstand statt, d.h. es gab kein zurück mehr, keine Kuh konnte mehr im Melkstand gemolken werden. Ein „linker“ und ein „rechter“ Roboter wurden installiert (Das links bzw. rechts bezieht sich auf den Zugang der Kuh zum Roboter). In dem darüberliegenden Stallbüro steht ein PC mit der entsprechenden Software für die Herdenbetreuung. Ein Zugriff auf die Daten ist auch im 500 m entfernt liegenden Wohnhaus möglich. Was sich für die Handhabung bei der Betreuung der Anlagen von Vorteil erweist, wirkt sich nachteilig für die Tiere aus. Bei einem Gruppenwechsel von der Hochleistungsgruppe in die Niederleistende Gruppe haben die Tiere zunächst Probleme mit der Umstellung. Abhängig von der Kuh liegt die Eingewöhnzeit bei einem bis mehreren Tagen. „Die ersten Tage nach dem Start mit den Robbis waren eine stressige Zeit“ berichten die Betriebsleiter, aber nach und nach ist die gewünschte Arbeitserleichterung eingetreten. Nach Aussagen der Praktiker, „laufen“ die meisten Kühe von alleine zum AMS, sobald sie nach dem Abkalben mit der neuen Laktation begonnen hat, und Färsen haben sowieso kein Problem mit dem System, denn die kennen es nicht anders.
Änderungen im Tagesablauf?
Details verbergen für Änderungen im Tagesablauf?Änderungen im Tagesablauf?

Und wie hat sich der Tagesablauf der beiden Landwirte verändert? Morgens um 6:00 Uhr ist Treffen im Stallbüro, zunächst werden die anstehenden Tagesarbeiten besprochen, manchmal wird auch nur geklönt.
Als erstes findet die Kontrolle der Listen statt, dies nimmt in der Regel 10 Minuten in Anspruch. Verschiedene Parameter werden genauer analysiert. Da sind zunächst die Werte der Leitfähigkeit. Ein Ansteigen der Leitfähigkeit signalisiert, dass in diesem Fall eine Kontrolle des Euters notwendig ist. Kühe reagieren auch sehr sensibel auf alle Umweltveränderungen, z. B. wird ein Ansteigen der Leitfähigkeit bei einem Wetterumschwung registriert, dies ist aber ohne Folgen für den Zellgehalt. Außerdem, wie bei einer Transponderfütterung, werden die Restmengen Kraftfutter kontrolliert. Die erfassten Daten der Aktivitätsmessung unterstützen die Beobachtung des Brunstgeschehens. Die letzte Kontrollliste zeigt die Kühe mit den überschrittenen Melkzwischenzeiten an.
Ausgerüstet mit diesen Informationen beginnt die Stallarbeit. Das Verhalten der Milchviehherde hat sich bei den „Robotermelkern“ völlig verändert. Die Herde ist im Ganzen viel ruhiger als in normalen Beständen und alle Tiere haben ihren individuellen Rhythmus beim Fressen, Melken und Liegen. Vor allem verändert sich die Mensch–Tier-Beziehung positiv. Dieser Vorteil kommt dann bei der Betreuung der Herde zum Tragen.
Ueberdachter Futtertisch
Überdachter Futtertisch
Selbstfahrender Futtermischwagen
Fütterung mit dem selbstfahrenden Futtermischwagen
Beim Gang durch die Herde werden zunächst die Tiere, die die Melkzwischenzeit überschritten haben, vor den Roboter getrieben und abgeteilt. Die Anzahl der Kühe, „die das Melken vergessen haben“, schwankt zwischen einer und fünf Kühen je Roboter. Interessant ist jedoch die Beobachtung, dass beim Gang der Betriebsleiter durch den Bestand die Kühe, diese sich ihres „Fehlverhaltens“ bewusst sind, und ohne großen Stress und Aufwand vor den Roboter treiben lassen, diese Arbeit beansprucht deshalb nur fünf bis zehn Minuten. Beim Vortreiben der Kühe erfolgt auch die erste Tierkontrolle. Es schließt sich die Boxenpflege an, diese ist wiederum kombiniert mit einer weiteren intensiven Tierbeobachtung.
Die Kombination aus ruhigem Herdenverhalten und dem intensiven Arbeiten in der Herde führen zu einer guten Herdenbetreuung. Bei der Boxenpflege wirkt sich aber nachteilig aus, dass ein Teil der Tiere in den Boxen liegt und nicht wie beim Melken im Melkstand, wenn normalerweise die Boxenpflege durch geführt wird, die Tiere vor dem Melkstand warten und alle Boxen leer sind.
Nach der Arbeit mit den Tieren werden die Roboter gereinigt. Alle Arbeiten beanspruchen an einem normalen Tag etwa 90 Minuten mit zwei AK. Nach der Frühstückspause werden die Tiere zunächst mit dem selbstfahrenden Mischwagen gefüttert. Anschließend erfolgen die tierindividuellen Arbeiten wie Umstallen und Brunstkontrolle. Infolge des ruhigen Tierverhaltens erfolgen vieler dieser Tätigkeiten wie zum Beispiel der Schalmtest, die Viertelgemelksproben oder die Besamung ohne Selektion „an Ort und Stelle“ z. B. in der Liegebox. Mittags findet in der Regel ein Kontrollgang inklusive eines Blickes in den PC statt, um besondere Auffälligkeiten beim Tierverhalten festzustellen. Am späten Nachmittag erfolgen die gleichen Arbeitsgänge wie Morgens, der Zeitaufwand beträgt dann etwa 60 – 80 Minuten und wird in der Regel von nur einer Person durchgeführt

Details verbergen für Abschließend lässt sich folgende Aussage treffen:Abschließend lässt sich folgende Aussage treffen:
Die Bedenken, die bezüglich einer geringeren Tierbeobachtung beim AMS bestehen, bestätigen sich nicht. Durch das ständige Arbeiten in der Herde beobachtet der Landwirt die Tiere viel intensiver als bei der zweimaligen Melkarbeit.
Wichtig ist es in einem größeren Milchviehbestand, Arbeitsabläufe und -zeiten zu definieren. Dies hat den Vorteil, dass wichtige Arbeiten nicht verschoben und anschließend vergessen werden können. Aus diesem Grund haben Herr Seegers und Herr Walterchen einen festen Arbeitsplan, d. h. definierte Arbeiten finden immer an den gleichen Wochentagen statt:. Beispielweise
  • werden einmal die Woche Tiere trockengestellt,
  • alle zwei Wochen, immer am gleichen Wochentag, werden die Boxen neu aufgefüllt und
  • einmal im Monat findet der Fruchtbarkeitsservice durch einen Bestandtierarzt statt.
  • Auch der Austausch der Milchschläuche und andere Arbeiten an den Robotern sind so terminiert.
Details verbergen für Voll-TMR?Voll-TMR?
Eine Voll-TMR ist am Roboter nicht möglich, denn die Hauptmotivation zum Melken zu gehen, ist die Kraftfuttergabe, aus diesem Grund wird den Tieren auf dem Betrieb eine aufgewertete Grundration vorgelegt. Bestehend aus Gras- und Maissilage, ergänzt mit eigenem Weizen und einem Eiweißausgleich (Raps-Sojagemisch). Die Ration am Trog ist auf 25 - 28 Liter bei der Hochleistungsgruppe und 20 – 24 Liter bei den Niederleistenden ausgelegt. Leistungsbezogen bekommen die Tiere am Melkroboter dann bis max. 7 kg Kraftfutter pro Tag. Die Hauptkomponenten sind Körnermais, Weizen, geschütztes Rapsschrot und Sojaschrot. Seit 3 Jahren wird dieses 20/4 Futter mit Erfolg eingesetzt. Um die Schmackhaftigkeit zu erhöhen, ist dem Kraftfutter der Geschmackstoff Vanille eingemischt. Am Roboter hat die Kraftfutterqualität und Schmackhaftigkeit eine entscheidende Bedeutung, um eine hohe Auslastung bzw. hohe Anzahl von Melkungen zu erreichen.

Immer getreu ihrem Motto „Stillstand ist Rückschritt“ sind die nächsten Entwicklungsschritte bereits eingeleitet. Durch den Zukauf weiterer Quoten beim Börsentermin im April ist jetzt ein dritter Roboter notwendig, dessen Lieferung im September ansteht. Nach vielen Diskussionen mit dem Berater Werner Baumgarten über den möglichen Standort, wird der dritte Roboter jetzt auf der rechten Seite in Verlängerung des bestehenden Roboters (siehe Grafik Stallgrundriss) eingebaut. In diesem Stallbereich besteht die Möglichkeit durch die Auslagerung der hochtragenden Rinder und der Schaffung von Außenliegeboxen die notwendige Anzahl Liegeplätze zu schaffen. In dem angebauten Stall für Transitkühe entsteht auch ein Strohbereich für Problemtiere. Von hier aus können die Tiere bedingt durch den kurzen Weg den Roboter gut erreichen.
Die Vorgehensweise der SEWA Kooperation zeigt, dass auch mit Melkrobotern ein Wachstum möglich ist. Nur die Wachstumsschritte werden größer, weil die Investitionen in Quote, Technik, Tiere und Stallraum alle auf einmal erfolgen müssen. Aber durch die kluge Planung des Neubaus 1994 konnten in diesem Fall die Kosten für die weiteren Stallplätze gering gehalten werden. Ziel ist es, mit einer Aufstockung der Milchquote bis auf 1,8 Millionen kg, die drei Stationen optimal auszulasten und die Kosten je Anlage und kg Milch zu optimieren.
Abkalbebox
Abkalbebox

Die beiden Landwirte bei der morgendlichen Kontrolle der Listen
Stallbau - Grundriss
Der Betrieb SEWA zeigt, dass durch eine gute Planung und ein unternehmerisches Denken und Handeln ein zukunftsfähiger Milchviehbetrieb entstehen kann.
Durch den konsequenten Einsatz der Technik ist ein „moderner“ Arbeitsplatz entstanden:
Weg von körperlichen Arbeit hin zu mehr Management und mehr „Miteinander“ mit den Kühen.
Außerdem ist mit dem AMS eine tiergerechte Haltung möglich, dies zeigt das Verhalten der Kühe und auch die Auszeichnung des Betriebes 2007 mit dem dritten Platz beim Wettbewerb „Besonders tiergerechte Haltung“ des Landes Rheinland-Pfalz.


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